„Stans besondere Leistung ist sein Engagement für seinen großen Landsmann George Enescu. Hierzulande viel zu wenig aufgeführt, hat dies Stan dazu veranlasst, als sein interpretatorischer Prophet zu wirken.“
SÜDDEUTSCHE ZEITUNG 2010 – Claus Regnault
188119.08. George Enescu wird in Liveni im Nordosten Rumäniens (der sog. Moldau) als Sohn eines Gutsverwalters und einer Lehrerin geboren. Als Letztgeborener von zwölf Kindern überlebt er als Einziger – vier kamen als Totgeburt zur Welt, die anderen starben in frühester Kindheit an Diphterie oder Meningitis. Im Hause Enescu ist Musik kein Fremdwort: der Vater singt, spielt Geige und leitet einen Chor, die sehr empfindsame Mutter spielt Gitarre und Klavier.
Landschaftsbild zu Enescus Geburtsort
1885Von einem Zigeunergeiger erhält er seinen ersten Geigenunterricht, später wechselt er zu Eduard Caudella – einem anerkannten Lehrer, der ihn bald nach Wien empfiehlt.
1888Enescu verlässt sein vertrautes Heim, bekommt aufgrund seines Talents eine Ausnahmegenehmigung und beginnt das Studium am Wiener Konservatorium. (Der Einzige, bei dem zuvor ebenfalls eine altersbedingte Ausnahme gemacht wurde, war Fritz Kreisler.) Enescu wohnt ab 1889 bei Josef Hellmesberger jr., studiert bei Hellmesberger (Violine), Robert Fuchs (Satzlehre) und Johann Nepomuk Fuchs (Kontrapunkt).
1891Erste Auftritte in Wien. Die Presse feiert ihn als „jungen rumänischen Mozart“.
189315.07. Im Alter von zwölf Jahren schließt er das Studium in Wien mit Auszeichnung ab. Öffentliche Konzerte mit Sarasates Faust-Fantasie im Bösendorfer-Saal in Wien und mit Mendelssohns Violinkonzert e-moll im Konzertsaal des Musikvereins.
1895Enescu beginnt das Studium am Conservatoire in Paris. Er wird in Komposition zunächst von Jules Massenet und später von Gabriel Fauré unterrichtet (einer seiner Mitschüler ist Ravel). André Gédalge ist sein Kontrapunkt-Lehrer.
189806.02. Sehr erfolgreiche Uraufführung seines Poème Roumain op. 1 in Paris (Concerts Colonne). 01.03. Enescu tritt erstmals öffentlich als Dirigent auf. Im Bukarester Athenäum dirigiert er sein Poème Roumain.
Beginn einer außergewöhnlichen Laufbahn als gefeierter Geiger in Europa und Nordamerika.
189924.07. Erster Preis der Violinklasse des Pariser Konservatoriums. Als Auszeichnung erhält Enescu eine Bernardel-Geige. Kompositorisch gelingen ihm mit der 2. Violinsonate op. 6 und dem Oktett für Streicher op. 7 (1900) seine ersten Meisterwerke.
Enescus Bernardel-Geige
1904Als Mitglied der Examensjury des Pariser Konservatoriums komponiert Enescu mehrere Stücke für den Abschlusswettbewerb, die heute zum Standardrepertoire für Flöte, Bratsche, Trompete und Harfe gehören.
1909Tod der geliebten Mutter. Eine Tournee verhindert Enescus Teilnahme an der Beisetzung.
1911Gründung des nationalen Enescu-Preises für rumänische Komponisten, den er 1913-1946 aus persönlichen Mitteln unterhält.
191414.12. Enescu dirigiert die erste vollständige Aufführung von Beethovens neunter Sinfonie in Bukarest. Mittlerweile ist er einer der bekanntesten Geiger Europas.
1915Beginn der Affäre mit Marie Cantacuzino, der großen Liebe seines Lebens, die er „Maruca“ und „ma princesse aimée“ nennt. Diese schwierige, launische und verschwenderische Frau sollte Enescu zeitlebens Nerven und viel Geld kosten. Enescu veranlasst die Gründung eines rumänischen Opernhauses in Bukarest und begründet eine Sammlung für die Orgel des rumänischen Athenäums. Mit verschiedenen Konzertserien beginnt er, das internationale Konzertrepertoire ins rumänische Musikleben einzubringen.
1916Enescu wird zum Ehrenmitglied der rumänischen Akademie gewählt. Infolge des 1. Weltkriegs flieht der rumänische Königshof und die rumänische Regierung nach Iasi (Jassy) im Nordosten Rumäniens. Die ersten Skizzen zu Oedipe werden aus Sicherheitsgründen nach Russland geschickt, wo sie für knapp ein Jahrzehnt verschwinden. Tod der rumänischen Königin Carmen Sylva, die für Enescu wie eine zweite Mutter war.
1917In Iasi gründet Enescu ein Orchester aus Flüchtlingen und einheimischen Musikern. Fast täglich spielt oder dirigiert er in Konzertsälen wie auch für Kriegsverwundete in Krankenhäusern, deren Lebenswillen er stärkt.
1920Der neu gegründete Verein der rumänischen Komponisten wählt Enescu zu seinem Präsidenten.
192108.12. Das rumänische Opernhaus beginnt seine erste Saison mit Wagners Lohengrin unter der Leitung von Enescu.
1923Enescu kauft in Sinaia in den von ihm so geliebten rumänischen Karpaten ein Grundstück und lässt später einen Architekten nach eigenen Skizzen die „Villa Luminiş“ („Villa Lichtung“) bauen. Erste Nordamerika-Tournee, der viele weitere folgen sollten.
Enescu und Yehudi Menuhin
1927Enescu beginnt den Unterricht mit Yehudi Menuhin. Ab 1928 gibt er Seminare an der Ecole Normale de Musique in Paris und der Harvard University in Boston, USA.
192918.05. Die Académie des Beaux-Arts de l'Institut de France wählt Enescu zum korrespondierenden Mitglied.
1931Enescu beginnt an Morbus Bechterew zu erkranken.
193613.03. Uraufführung der Oper Oedipe an der Grand Opéra Paris unter der Leitung von Philippe Gaubert. 31.03. Enescu wird zum Commandeur der französischen Ehrenlegion ernannt.
1939Hochzeit mit Maria Cantacuzino in Bukarest.
1945Enescu verlässt Rumänien aus Protest gegen die kommunistische Regierung.
1946Er besucht im August seinen Geburtsort Liveni ein letztes Mal und verlässt im September endgültig Rumänien. Sein Bechterew-Leiden beginnt sich stärker auszuprägen, verkrüppelt nach und nach sein Rückgrat und zwingt ihn mit den Jahren zu einer am Ende fast parallel zur Erde verlaufenden Beugehaltung. Daneben tritt ein Ohrenleiden auf, das sein Hörvermögen angreift und ihn in bestimmten Frequenzen Kakophonien hören lässt. Die Landgüter seiner Frau und Enescus sämtliche Ersparnisse bei rumänischen Banken werden durch die rumänischen Kommunisten enteignet.
1948Enescu beginnt seine Vorlesungen an der Mannes School of Music in New York. In den Folgejahren unterrichtet er ebenfalls an der University of Illinois, dem Institut Instrumental von Yvonne Astruc, der American Academy of Music in Fontainebleu (Frankreich), der Accademia Chigiana in Siena, sowie im Rahmen von Sommerkursen in Brighton und Bryanstone (England).
1950Beendigung der fast sechzig Jahre währenden Konzertkarriere als Geiger, nachdem seine Auftritte vor allem ab 1946 durch Krankheit bedingt zur Tortur wurden.
1951Der Journalist Bernard Gavoty sendet im französischen Rundfunk eine Reihe von Interviews mit Enescu. Diese Gespräche werden 1954/55 unter dem Titel „Les souvenirs de George Enescu“ als Buch herausgegeben.
1952Erste Herzattacke Enescus, der ein Jahr später eine weitere folgen sollte.
1954Durch einen Schlaganfall wird er partiell gelähmt und ans Bett gefesselt. Enescu zieht in ein Hotel um und diktiert dort seinem Schüler Marcel Mihalovici letzte Ideen.
1955In der Nacht vom 4. zum 5. Mai stirbt Enescu in ärmlichen Verhältnissen in der Suite des Pariser Hotels Atala. Er wird auf dem Friedhof Père Lachaise in Paris beigesetzt.